Komponist


Das Werkverzeichnis von Hans Chemin-Petit hat einen stattlichen Umfang aus fast allen musikalischen Gattungen: Instrumental- und Vokalmusik, geistliche und weltliche Themen, Symphonie und Oper, Psalm und Burleske. Sein Personalstil ist unbeirrt gebunden an tradierte Gattungen und Gestaltungsmittel, jedoch dem Experiment nicht ablehnend gegenüberstehend. Mit fortschreitender Zeit aber hat sich seine Handschrift in der freien Ausdruckskunst der Reife gewandelt.
 
Die Harmonik hat ihre Wurzeln in der Tonalität, die Themen sind eigenwillig, markant, auch grazil und anmutig, immer charakterisierend. Die Ausdrucksskala durchmißt die Bereiche des sphärischen Klanges, des zart poetischen, des heiteren, kapriziösen, kraftvoll pathetischen und appellierenden Klanges. 
Ein auffallendes Merkmal in den Chor- und Orchesterwerken Chemin-Petits sind perfekt ausgeführte Fugen, die den Zuhörer in ihren Bann ziehen.
 
Seine Inhalte sind zeitlos, allgemein menschlich, nicht an Zeitgeschichte irgendeiner Couleur orientiert. Markant ist sein ausgeprägter Sinn für Proportionen, Architektur und Dramaturgie.
 
Den Durchbruch als Komponist erlangte Chemin-Petit vor allem mit seinen Streichquartetten (1925 und 1926) und mit der Kammeroper Der gefangene Vogel (1927), Text Karla Höcker. Auch das Konzert für Violoncello und Orchester (1931) – mehrfach der Komponist als Solist – wurde viel aufgeführt.
 
Bedingt durch die Gesamtleitung des Philharmonischen Chores Berlin entstanden seit den fünfziger Jahren vokalsymphonische Werke mit Aufführungen in Deutschland und in der Schweiz. “ […] Den überzeugendsten Eindruck vermittelte mir 1953 Ihr 90. Psalm. Das ist Musik aus dem Kraftreservoir echt polyphonen Denkens, stark im persönlichen Ausdruck und in der fugalen Kunst […] „,
 
sagt Hans Heinz Stuckenschmidt in Hans Chemin-Petit, Betrachtung einer Lebensleistung, S. 21 (siehe Fußnoten Nr. 4)
 
Immer wieder beschäftigen Hans Chemin-Petit Kompositionen für Orchester – so das frühe Repertoirestück Der Orchesterprolog (1939): „Eines der erfolgreichsten Werke der zeitgenössischen Symphonik“, Graz 1942, und Solokonzerte mit Orchesterbegleitung für Violoncello (1931, s.o.), Orgel (1963), Violine (1971) oder Blockflöte (f’) und Cembalo (1973). Die ganze Breite der Gattungen ist im Werkverzeichnis ersichtlich (s.o.).
 
Das musikdramatische Schaffen mit sieben Bühnenwerken nimmt im Gesamtschaffen einen beträchtlichen Raum ein. Für Chemin-Petit ist die schöpferische Berührung mit der Welt des Theaters, der Fantastik der dramatischen Dichtung und der affektgeladenen Spontaneität der Opernmusik bedeutend. – Für einige Opern schrieb er die Libretti selber um, indem er das ethische Anliegen, die menschliche Wandlung aus dem Originaltext verdichtete.
 
Die zwei Hauptwerke seines Opernschaffens König Nicolo (1959) nach Frank Wedekind und Kassandra (1980) nach Aischylos offenbaren die wichtigen Anliegen des Komponisten im Sinne seiner humanistischen Prägung.
 
“ […] König Nicolo ist ein früh konzipiertes, langsam gereiftes Werk, das etwas Neues in seinem Schaffen darstellt, eine Zusammenfassung und Steigerung, ein Durchbruch in die Sphäre der großen, zeitbedeutenden Kunst. […] “ (3)
 
Die Musik der Opern König Nicolo und Kassandra ist fesselnd, überzeugend und hinterläßt fraglos einen anhaltenden Eindruck, ohne das Mittel der Sensation einzusetzen.
 
Zusammenfassend wird von einem Gesamtwerk hohen Anspruchs gesprochen – mit großer Kultur, produktiver Fantasie und Noblesse der musikalischen Handschrift.
 
Vgl. auch Vera Grützner: Hans Chemin-Petit – Profil seines künstlerischen Wirkens, in: Hans Chenin-Petit, 1902-1981, a.a.O.