Hochschule


Hans Chemin-Petit wurde 1929 von Hans Joachim Moser an die Akademie für Kirchen- und Schulmusik berufen. In ihm sah man den vitalen, schöpferischen, aufgeschlossenen Musiker, der in der Lage war, über fachliche Grenzen hinauszusehen. Namen wie Hermann Kretzschmar, Musikforscher, Professor für Musikwissenschaft – Leo Kestenberg, Pianist, Pädagoge, Referent beim Preußischen Ministerium, Reformer des Musikunterrichts – Georg Schünemann, Professor für Musikwissenschaft, beteiligt an der Kestenbergschen Reform – Paul Juon, russischer Komponist schweizerischer Herkunft, bezeichnet als russischer Brahms, Mitglied der Akademie der Künste – Hugo Becker, Professor im Fach Violoncello mit Schwerpunkt Kammermusik – Hans Joachim Moser, Professor der Musikwissenschaft, Geschichte, Komponist, Sänger – Siegfried Ochs, Dirigent und Komponist, Gründer des Siegfried Ochs’schen Gesangvereins, später Philharmonischer Chor Berlin – Werner Egk, Komponist und Dirigent mit internationalem Ruf – Boris Blacher, Komponist, gleichfalls mit internationalem Ruf, bestimmten den Anspruch der Institution.
 
In der nationalsozialistischen Zeit war es nicht zuletzt Hans Chemin-Petit zu verdanken, daß die Arbeit an der Hochschule ohne die damals geforderte Akzentuierung stattfinden konnte. – Von 1935 bis Kriegsende war er Mitglied im Prüfungsausschuß für Organisten und Chordirigenten. – Sein Verantwortungsbewußtsein und sein Blick für das Ganze machten ihn 1965 zum Stellvertretenden Direktor der Hochschule neben Boris Blacher.
 
Hans Chemin-Petit hat Maßstäbe an sich gelegt und diese auch von den Schülern eingefordert. Seine hohen Bewertungsmaßstäbe führten dazu, dass er nur selten das Prädikat Gut in Prüfungen vergab. Mit Akribie bereitete er für die Künstlerischen Staatsprüfungen Aufgaben für jeden Studenten in den Fächern Tonsatz und Chorleitung vor und begründete jede Leistung mit Sorgfalt. Der Senator für Schulwesen von Berlin berief ihn über Jahrzehnte zum Mitglied des Künstlerischen Prüfungsamtes. Darüber hinaus war er über lange Zeit in jedem Semester in Aufnahme-, Zwischen- und Reifeprüfungen einbezogen.
 
Er verfolgte die Entwicklung begabter Studenten auch nach dem Studium. Sie wandten sich noch nach Jahrzehnten an ihn. – Zu seinen Schülern zählten unter anderen: Günther Wilke, Dirigent der Mannheimer Singakademie – Rudolf Lamy, Leiter des Philharmonischen Chores München – Hans Müller-Scheffsky, Leiter des Hugo-Distler-Chores Hannover – Barbara Haller, Leiterin der Jugendkantorei am Ulmer Münster.
 
Einige waren wiederum an Ausbildungseinrichtungen tätig, so Werner Immelmann an der Kirchenmusikschule Hannover – Willi Maertens an der Martin-Luther-Universität Halle/Saale – Johannes-Ernst Köhler an der Musikhochschule Weimar – Käte Walter und Heinrich Elter an der Berliner Musikhochschule. Die meisten haben und hatten ihr Wirkungsfeld als Kirchenmusiker oder -musikdirektoren und Studienräte oder -direktoren gefunden.
 
Zahlreiche Briefe ehemaliger Studenten bezeugen die Verbundenheit mit ihrem Lehrer, der es vermochte, in ihnen Musikverständnis im umfassenden Sinne zu entwickeln, dabei weit über das handwerkliche Rüstzeug hinausgehend. Bei aller Vielfalt ist den Briefen gemein, dass sie Chemin-Petit als einen Menschen von großer Ausstrahlungskraft schildern, der für fachliche und persönliche Gespräche, auch außerhalb des Unterrichts, aufgeschlossen war. “ […] Wir sind uns aber wohl darin einig, es persönliches Glück zu nennen, das uns widerfuhr, Schüler eines solchen Künstlers, Lernende im Bannkreis eines solchen Menschen geworden zu sein. […] “ (7)
 
Als Leiter des Kammerchores der Hochschule für Musik – und auch als Leiter des Philharmonischen Chores Berlin – hat Hans Chemin-Petit bleibende Maßstäbe gesetzt. Zitat: “ […] Er hatte ein elementares Verhältnis zur Gestik, zur sprechenden Gebärde, die fast unmerklich Atmung und Gesang auslöste. Nichts Doktrinäres haftete seiner künstlerischen Vermittlung an. Etwas Unwandelbares, Festes war in seinem Wesen, das ihm die Fähigkeit gab, in dieser Vielfalt als Dirigent, Komponist und Lehrer auf einen großen Menschenkreis zu wirken. Die Blickerweiterung des jungen Musikers in der Erfahrung der großen Literatur war sein Ziel. […] “
 
Sein Kredo von der menschenbildenden Funktion der Musikerziehung im weiteren Sinne war Leitgedanke seines Gesamtwerkes, es erfüllte sich in der pädagogischen Arbeit mit Studenten im engeren Sinne: “ […] Es ging mir in meinem Unterricht immer darum, eine traditionelle Grundlage zu schaffen durch gründliche Kenntnis vom Barock bis zur Romantik, ferner um die Förderung jeder Individualität und schließlich um den offenen Blick für zeitgenössische Strömungen. […] “ (8)
 
Vgl. auch Vera Grützner: Hans Chemin-Petit – Profil seines künstlerischen Wirkens, in: Hans Chemin-Petit, 1902-1981, a. a. O.